Paradigmenwechsel für eine positive Wirkung

Es sieht nach einem Paradigmenwechsel aus, was Zakat Deutschland e.V. am 18. März öffentlich vorgestellt hat: Die Sammlung und Verteilung der islamischen Vermögensabgabe in Deutschland.

(entnommen aus: https://islamische-zeitung.de/paradigmenwechsel-community-zakat/ | 28.03.2023)

(iz). In den Augen vieler, auch jüngerer Muslime in westlichen Gemeinschaften, haben viele Communitys die zentrale Rolle der Zakat für unseren Din aus den Augen verloren. Häufig wurde sie zur verpflichtenden Spende umdeklariert, die idealerweise in die dritte Welt geschickt werden sollte.

Der am 18. März 2023 vorgestellte Verein Zakat Deutschland e.V. gehört zu jenen Ansätzen, die für ein neues Verständnis von Zakat und ihrer lokalen Praxis arbeiten. Hierzu sprachen wir mit Asif Akhtar, der zum Kernteam des Vereins gehört.

Zakat

Foto: Ibrahim Poran

Islamische Zeitung: Der Verein Zakat Deutschland e.V. will nach eigenem Bekunden Kräfte bündeln, um „in Deutschland eine positive Wirkung zu erzielen“. Was ist damit gemeint?

Asif Akhtar: Wir möchten nicht nur Zakatgelder von in Deutschland lebenden Muslimen sammeln und an Bedürftige verteilen, sondern auch ein Netzwerk aus Fachleuten verschiedener Bereiche aufbauen. Bedürftige benötigen nicht immer Geld, sondern vielleicht auch nur eine Beratung oder professionelle Unterstützung. Diese würden wir, wo möglich, auch kostenfrei zur Verfügung stellen.

Es wird aber auch Menschen geben, die in extremen Notsituationen finanzielle Unterstützung brauchen. Wir werden beides anbieten, je nach Bedarf.

Foto: Ibrahim Poran

Zakat gerät leicht in Vergessenheit

Islamische Zeitung: Zakat spielt – obwohl dritte Säule des Islam und laut den Mufassirun auf der gleichen Stufe wie das Gebet – in deutschen Diskursen nur eine randständige Rolle beziehungsweise wird als Art verpflichtender Spende behandelt. Warum ist das so?

Asif Akhtar: Das Gebet ist durch die 5-malige tägliche Durchführung präsenter und sichtbarer als die Zakat. Die Zakat hingegen, ist eine Glaubenspraxis, die nicht täglich, sondern einmal im Jahr (Mondjahr) diskret durchgeführt wird.

Vielleicht ist die Tatsache, dass die Zakat nur einmal im Jahr (Mondjahr) gezahlt werden muss, ein Grund, der diese schneller und leichter in Vergessenheit geraten lassen kann. Das Gebet ist ja durch die tägliche Pflicht permanent präsent. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Zakat bei Bedarf auch durchaus auf das Jahr verteilt bezahlt werden kann.

Islamische Zeitung: Ihr sprecht davon, die Zakat „ausgewogen“ und „nachhaltig“ zu verteilen, um eine „maximale Wirkung“ zu erzielen. Was ist damit gemeint?

Asif Akhtar: Mit „ausgewogen“ ist gemeint, dass wir den Bedarf bewerten und in seiner Wichtigkeit einordnen, bevor wir die Zakat, die ja ein vertrauensvolles Gut darstellt, verteilen.

Mit „nachhaltig“ meinen wir den Effekt, der aus der Zakat resultieren kann. Wir streben an, die Zakat bei den berechtigten Personen so einzusetzen, um sie im besten Fall in die Lage zu versetzen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und sich selbstständig finanzieren zu können.

Wir können aber natürlich nur die Beträge verteilen, die auch an uns als Zakat gezahlt werden. Im Idealfall nehmen wir mehr Zakatgelder ein.

Was das Projekt will – praktischer Paradigmenwechsel

Islamische Zeitung: Dabei betont der Verein drei Bereiche – Armut in der Gemeinschaft bekämpfen, Menschen zur Selbstständigkeit anregen und zur Gemeinschaftsentwicklung beitragen. Können Sie uns diese drei Ziele erläutern?

Asif Akhtar: Wir helfen Menschen in extremen Not- und Armutssituationen. Dabei versuchen wir das Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ umzusetzen. In Großbritannien hat NZF dies in vielen Fällen bereits erfolgreich durchgeführt.

Zakatberechtigte bedürftige Menschen wurden dabei unterstützt, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Es konnte beobachtet werden, dass nach wenigen Jahren einige dieser Menschen selbst wieder zu Zakatzahlern wurden, die anderen mit ihrer Zakat halfen. Zakat Deutschland wird jeden Fall akribisch analysieren und er wird dann den Prozess bei einem unabhängigen Vergabeausschuss durchlaufen, um die maximale Wirkung zu erzielen.

Wir werden zusätzlich zu den vorangegangenen Punkten perspektivisch auch mit der Förderung von Projekten, die zakatförderwürdig sind, die Gemeinschaft unterstützen und stärken.

Foto: Ibrahim Poran

Nicht nur Sammlung, sondern auch Verteilung in Deutschland

Islamische Zeitung: Der Verein Zakat Deutschland e.V. unterscheidet sich von bisherigen Hilfsorganisationen davon, dass er die lokale Verteilung von Zakat in Deutschland betont. Warum ist euch dieser Punkt so wichtig, dass ihr damit auch einen bisherigen Konsens von Zakat als erweiterter Entwicklungshilfe in Frage stellt?

Asif Akhtar: Wir vergleichen uns nicht mit anderen Hilfsorganisationen. Sie leisten wertvolle, wichtige und unverzichtbare Arbeit. Man muss Zakat Deutschland als Produkterweiterung sehen. Wir möchten den prophetischen Hadith in die Tat umsetzen, aus dem deutlich hervorgeht, dass die Zakat an die Berechtigten der gleichen Region verteilt werden soll.

Als unser Prophet Mohammed (s.a.s.) den Gefährten Mu’adh ibn Jabal in den Jemen entsandte und ihn mit der Zakat beauftragte, sagte er zu ihm: „(…) und lasse sie wissen, dass Allah ihnen eine Sadaqa (Zakat) auf ihr Vermögen auferlegt hat, die von IHREN Vermögenden genommen und an IHRE Bedürftigen gezahlt wird. (…)“ Drei Jahre später fand Mu’adh keinen Bedürftigen mehr, dem er die Zakat geben konnte.

Der regionale Fokus bei der Verteilung der Zakat ist übrigens auch die Meinung aller Rechtsschulen und die sich im Netzwerk der National Zakat Foundation befindenden Länder haben deutlich gemacht, dass durch die lokale Verteilung der Zakat viel bewirkt werden kann.

Islamische Zeitung: Müssten hierzu nicht auch Gelehrte und Imame in Deutschland angesprochen werden, die ja für die Wissensvermittlung eine vorrangige Rolle spielen?

Asif Akhtar: Unbedingt. Deshalb sind auch Moscheebesuche und ein Austausch mit Imamen und Gelehrten geplant. Wir hoffen, dass wir dadurch das Bewusstsein für die Zakat fördern können.

Islamische Zeitung: Welche Vision und Hoffnung hat Zakat Deutschland e.V. für die Zukunft von Zakat in der hiesigen muslimischen Community?

Asif Akhtar: Bei Zakat Deutschland handelt es sich um kein Projekt, sondern um eine nationale Organisation, die durch die Umsetzung einer islamischen Pflicht einen nachhaltigen Impact in Deutschland schaffen möchte.

Unsere Vision und Hoffnung ist: Bewusstsein für die Zakat unter Muslimen fördern.

Gemeinschaftsgefühl gegenüber der Community und der Gesellschaft stärken. Armut beseitigen, wo es geht. Empathie gegenüber den Bedürftigen stärken. Zakatberechtigte Vorhaben und Projekte, mit denen ein großer Mehrwert für die Community einhergeht, unterstützen.

Islamische Zeitung: Lieber Asif, vielen Dank für das Interview.


Wir Danken der Islamischen Zeitung für das freundliche Interview.